Gutscheine im Sinne des Umsatzsteuerrechts liegen nur dann vor, wenn der Inhaber berechtigt ist, diese als Zahlungsmittel beim Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen zu verwenden. Ein Einzweck-Gutschein ist ein Gutschein, bei dem die Besteuerung im Zeitpunkt der Ausgabe bzw. Übertragung des Gutscheins erfolgt. Die tatsächliche Ausführung der Leistung unterliegt dann nicht mehr der Umsatzsteuer. Es handelt sich um einen Einzweck-Gutschein, wenn der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung feststeht. Außerdem muss bei der Ausstellung des Gutscheins feststehen, wie hoch die geschuldete Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Einlösung sein wird. Es müssen also
- der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung (in Deutschland) und
- die geschuldete Umsatzsteuer, bei der Ausgabe (bzw. der erstmaligen Übertragung) durch den Aussteller des Gutscheins
feststehen. Um von einem Einzweck-Gutschein ausgehen zu können, ist die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben sowie die Leistung so zu konkretisieren, dass der steuerberechtigte Mitgliedstaat und der auf die Leistung entfallende Steuersatz und damit der zutreffende Steuerbetrag mit Sicherheit bestimmt werden können.
Fazit: Steht der Steuersatz bei der Ausgabe des Gutscheins nicht fest, handelt es sich nicht um einen „Einzweck-Gutschein“ sondern um einen „Mehrzweck-Gutschein“. Beim Kauf eines Mehrzweck-Gutscheins wird ein Zahlungsmittel durch ein anderes ausgetauscht, sodass die Umsatzsteuer erst entsteht, wenn der Gutschein eingelöst wird.
Praxis-Beispiel:
Am 5.6.2020 hatte die Bundesregierung beschlossen, die Mehrwertsteuersätze vorübergehend für die Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 von 19% auf 16% und von 7% auf 5% abzusenken. Das hatte Auswirkungen auf die Beurteilung von Gutscheinen. Ein Unternehmer der Gutscheine verkauft, hat regelmäßig keinen Einfluss darauf, wann der Gutschein eingelöst wird. Bei der Ausgabe eines Gutscheins in der Zeit vom 5.6.2020 bis zum 31.12.2020 war daher ungewiss, ob er bis zum 31.12.2020 eingelöst wird oder erst nach dem 31.12.2020. Damit stand nicht fest, welcher Steuersatz anzuwenden ist (16% oder 19% bzw. 5% oder 7%). Diese Ungewissheit kann nicht durch die Formulierung, dass der ermäßigte oder volle Steuersatz anzuwenden ist, beseitigt werden.
Wenn im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins unklar ist, ob abhängig vom Zeitpunkt der Einlösung der ermäßigte Steuersatz von 5% oder 7% anzuwenden ist bzw. der volle Steuersatz von 16% oder 19%, steht die Höhe der geschuldeten Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins nicht fest. Laut Gesetzesdefinition handelt es sich dann um einen „Mehrzweck-Gutschein“.
Bei der Ausgabe eines Gutscheins nach dem 31.12.2020 reicht die Formulierung aus, dass der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, um von einem „Einzweck-Gutschein“ auszugehen. Maßgebend ist dann nämlich einzig und allein der Steuersatz von 7%. Das gilt entsprechend bei der Formulierung, dass der volle Steuersatz anzuwenden ist, weil dann bei der Einlösung des Gutscheins einzig und allein der Steuersatz von 19% anwendbar ist.
Hinweis: Bei einer sonstigen Leistung kann der Leistungsort nur zutreffend bestimmt werden, wenn der Leistungsort (z. B. Deutschland) feststeht. Der Leistungsort hängt vom Status des Empfängers ab und davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der die Leistung für sein Unternehmen bezieht. Der Leistungsgegenstand muss für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins zumindest im Hinblick auf die Gattung des jeweiligen Leistungsgegenstands auf dem Gutschein angegeben sein. Unter Gattung ist die Gesamtheit von Arten von Waren oder sonstigen Leistungen zu verstehen, die in ihren wesentlichen Eigenschaften derart übereinstimmen, dass hieraus der zutreffende Steuersatz eindeutig bestimmbar ist.