Rechnungsabgrenzung: Kehrtwende des BFH

Rechnungsabgrenzungsposten dienen dazu, Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Aktiviert werden vor dem Bilanzstichtag gezahlte Leistungen, die als Gegenleistung für die Zeit nach dem Bilanzstichtag bestimmt sind. Der BFH hatte entschieden, dass es dem Steuerpflichtigen erlaubt ist, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine genaue Abgrenzung zu verzichten (Beschluss 18.3.2010, X R 20/09). Der BFH orientierte sich dabei an den jeweiligen Grenzwerten für geringwertige Wirtschaftsgüter, weil der Gesetzgeber damit zu erkennen gebe, dass er bei geringwertigen Wirtschaftsgütern auf einen periodengerechten Ausweis verzichtet und eine Sofortabschreibung für angemessen hält. Diese gesetzgeberische Einschätzung kann (so der BFH im Jahr 2010) auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten übertragen werden; geringwertige Posten brauchen bilanziell nicht abgegrenzt zu werden.

Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH nunmehr entschieden, dass aktive Rechnungsabgrenzungsposten auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden sind.

Praxis-Beispiel:
Das Finanzamt hielt den Ansatz aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für erforderlich und erließ für die Jahre 2015 und 2016 geänderte und für 2017 erstmalig Einkommensteuerbescheide. Das Finanzamt erhöhte die Gewinne aus Gewerbebetrieb des Klägers um 1.341 € (2015), 1.550 € (2016) und 1.315 € (2017), ohne jedoch die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten im jeweiligen Folgejahr gewinnmindernd aufzulösen. Das Finanzgericht entschied unter Bezugnahme auf den BFH-Beschluss aus dem Jahr 2010, dass wegen der geringen Bedeutung der Aufwendungen Rechnungsabgrenzungsposten nicht gebildet werden müssten.

Nach dem neuen BFH-Urteil gilt nunmehr, dass aktive Rechnungsabgrenzungsposten auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden sind. Begründung: Das Gesetz enthält keine derartigen Einschränkungen. Somit gibt es keine Rechtfertigung, die Pflicht zur Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten auf wesentliche Fälle zu beschränken. Die gesetzgeberischen Überlegungen bei der Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter können (aus heutiger Sicht) nicht auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten übertragen werden. Die Grundsätze der Wesentlichkeit oder Verhältnismäßigkeit rechtfertigen es nicht, den Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten nur auf wesentliche Fälle zu beschränken. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Berechnung der Rechnungsabgrenzungsposten zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würde.

Hintergrund: Bei der Entscheidung des BFH im Jahr 2010 lag der Grenzwert für die Sofortabschreibung bei 410 €. Inzwischen wurde er auf 800 € erhöht, sodass es schwerfällt, von Bagatellbeträgen zu sprechen. Außerdem kann es bei einer Vielzahl aktiver Rechnungsabgrenzungsposten, wenn sie in der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt werden, insgesamt zu einer bedeutenden Verzerrung des Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage kommen.

Quelle: BFH | Urteil | X R 34/19 | 15-03-2021